Viel Beifall für Haushaltsrede von Nadja Büteführ

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie wollen wir nun reagieren in unserer momentanen Situation, da uns rund 7,8 Mio. zum Haushaltsausgleich fehlen? Verträgliche Verbesse-rung der Ertragsseite und Ausgabenreduzierung an den richtigen Stellen, um handlungsfähig zu bleiben oder sich kaputt sparen? Vor dieser Frage steht Kommunalpolitik in diesen Tagen. Die Bürger werden fragen: Müssen jetzt nicht alle an einem Strang ziehen? Haben nicht alle Parteien im Wahlkampf versprochen, das Beste für ihre Stadt zu wollen? Beispielgebend hat in der vergangenen Woche der Rat der Stadt Wetter mit einer nie zuvor erlebten breiten Mehrheit den Haushalt verabschiedet.

Auch die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Herdecke hat den Fraktionen der Jamaika-Koalition angeboten, den steinigen Weg der Haushalts-Konsolidierung gemeinsam zu gehen und hat Ihnen im Vorfeld der Haushaltsberatungen Gespräche angeboten.

Von diesem Angebot wurde leider kein Gebrauch gemacht.

Stattdessen will man wohl mit dem Kopf durch die Wand und lebt einen Machtrausch aus, der die postulierte transparente Politik vermissen lässt. Aber dazu später mehr.

Zunächst möchte ich einige Anträge der SPD zur Haushaltskonsolidierung erläutern:

1.Einsparungen über alle Einzelpläne: Wir beauftragen die Verwaltung, über Haushaltssperren die Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen sowie Sonstige ordentliche Aufwendungen dort, wo sie durch Verwaltungshandeln zu beeinflussen sind, insgesamt um 10 % zu reduzieren.

2.Interkommunale Zusammenarbeit/Synergien: Die Verwaltung fordern wir auf, mit der Stadt Wetter Gespräche aufzunehmen über mögliche Synergieeffekte einer interkommunalen Zusammenarbeit (Bücherei, Musikschule, künftige Schulentwicklung etc.).

3.Bücherei: Mit der Evangelischen Kirchengemeinde und der Stadt Wetter sollten Gespräche geführt werden mit dem Ziel der Übernahme der Bücherei bzw. Kooperation.

4.Musikschule: Der jetzige Zuschussbedarf der Musikschule sollte mittelfristig mindestens halbiert werden. Wir befürworten dafür z. B. die Streichung von Kursen mit extrem hohem Zuschussbedarf bei wenigen Teilnehmern, wir befürworten kostendeckende Beiträge für Erwachsene, eine deutliche Reduzierung des Zuschussbedarfs für den Einzelunterricht, und wir befürworten ausdrücklich die Beibehaltung und Berücksichtigung von Sozialermäßigungen. Die konkreten Maßnahmen soll eine interfraktionelle AG erarbeiten.

5.Städtische Sportlerheime: Mit den Vereinen sollen Gespräche geführt werden mit dem Ziel, die momentan noch in Besitz der Stadt befindlichen Sportlerheime an die Vereine zu übergeben.

6.Bäder: Wir streben den Erhalt des Freibades an als wichtigen Standortfaktor für den Freizeit- und Tourismusbereich. Versprechen können und wollen wir dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings nicht! Die Verwaltung wird aufgefordert, Einsparvorschläge zur Diskussion zu stellen, die sich beziehen auf wetterangepasste Öffnungszeiten, Eintrittsgelder, Senkung der Energiekosten (z. B. Absenken der Wassertemperatur etc.). Die beiden letztgenannten Maßnahmen betreffen auch die Hallenbäder. Vor größeren Investitionen beim Freibad wie z. B. der Filteranlage sind alternative Möglichkeiten – wie zum Beispiel der Betrieb als Naturbad – zu überprüfen. Auch alternative Trägerschaftsmodelle sollten jetzt schon überdacht werden.

7.Gebäude für Obdachlose und Asylbewerber: Auch aufgrund zurückgehender Fallzahlen sollte es möglich sein, in Zukunft auf mindestens eines der momentan drei Gebäude zu verzichten und darüber hinaus Wege zur Unterbringung der Betroffenen auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden. Die Grundstücke werden vermarktet.

8.Auszubildende: Die SPD fordert, dass die Stadt Herdecke auch zukünftig Azubis in gewohntem Umfang einstellt.

Da wir alle Bereiche und Leistungen einer Überprüfung unterziehen wollen, gleichzeitig aber bestrebt sind, die gute Infrastruktur in Herdecke aufrecht zu erhalten und auch die für die Stadtentwicklung wichtigen Investitionen mittragen, sind wir der Auffassung, dass es unumgänglich und gerechtfertigt ist, sich auch der Erhöhung von Erträgen zuzuwenden.

9.Grundsteuer B und Gewerbesteuer: Die Grundsteuer B, die jede Bürgerin und jeder Bürger über Wohneigentum und auch Miete zu entrichten hat, und die Gewerbesteuer schlagen mit insgesamt über 11 Mio. Euro auf der Ertragsseite der Stadt Herdecke zu Buche. Die Gesamterträge belaufen sich im Jahr 2010 auf 37,2 Mio. Euro. Da sie die verlässlichste Einnahmequelle der Stadt ist, schlagen wir für das nächste Jahr eine Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B um 10 % vor. Und auch die Gewerbetreibenden möchten wir mit ins Boot holen. Angesicht der konjunkturellen Probleme und aufgrund der Tatsache, dass der Hebesatz in Herdecke im Vergleich zu anderen Nachbarkommunen ohnehin schon sehr hoch liegt, sollte die Erhöhung im nächsten Jahr jedoch hier nur 5 % betragen.

Ich betone noch einmal: Dies ist für uns unter der Maßgabe vertretbar, dass von Verwaltung und Politik zukünftig kontinuierlich nach weiteren Einsparmöglichkeiten im Haushalt gesucht wird, dass die freiwilligen Leistungen nicht gegen „0“ gefahren werden und dass eine attraktive Infrastruktur in Herdecke weitestgehend erhalten bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch bei den geplanten Investitionen haben wir einige Einsparvorschläge eingebracht. Zu den in der Vergangenheit bereits beschlossenen größeren Investitionsmaßnahmen steht die SPD Herdecke, da sie für die zukünftige Weiterentwicklung Herdeckes unabdingbar sind:

Als wichtigste Vorhaben möchte ich nennen:

Die schrittweise Erschließung des Westfalia-Geländes unter veränderten Rahmenbedingungen nach einem zuvor von Verwaltung, Fachausschüssen und Rat aktualisierten Gesamtkonzept,

den Ausbau der „Westumgehung“ zur Entlastung und weiteren verkehrlichen Umgestaltung der Innenstadt,

die baulichen Maßnahmen zur Anbindung des ÖPNV an den Bahnhof
sowie die Erschließung und Bebauung des Geländes Ladestraße insbesondere für junge Familien.

Herr Rohleder, Sie haben der SPD vorgeworfen, nicht genügend Sparvorschläge präsentiert zu haben und dafür die Schulnote mangelhaft verteilt. Danke, für die Blumen. Angesichts der von Ihnen eingezogenen Messlatte von 2 bis 2,5 Mio. Euro Einsparung jährlich bleiben Ihre Sparvorschläge für 2010 und 2011 unter dem Strich doch ebenfalls nur ungenügend.

Darüber hinaus haben wir uns auf Einsparvorschläge konzentriert und lediglich einen Antrag eingebracht, der Mehrkosten in Höhe von rund 2.000 Euro jährlich verursacht. Sie hingegen haben 13 Anträge präsentiert, die im Jahr 2010 und den Folgejahren zusätzliche Ausgaben in Höhe von über 300.000 Euro verursachen. Ist das angebracht?

Teilweise ja, teilweise nein. Die SPD wird selbstverständlich Ihrem Antrag zustimmen, den Schulentwicklungsplan zu aktualisieren. Genau dieses Instrumentarium bietet die Grundlage für fundierte Entscheidungen in Bezug auf die zukünftige Schulentwicklung in Herdecke. Aber nicht Grundsatzbeschlüsse!

Außerdem werden wir Anträge befürworten, die zwar zusätzliche Kosten verursachen, die mittelfristig aber zu nachhaltigen Einsparungen führen werden.

Und nun zu Ihnen, werte Jamaika-Fraktionen:

Die SPD kann und will sich nicht verweigern, wenn es um die Konsolidierung des städtischen Haushaltes geht. Aber das kann nicht mal eben im Hauruck-Verfahren von heute auf morgen funktionieren. Die SPD sagt auch ganz klar: Von einigem Liebgewonnenen werden wir uns trennen müssen. Aber diese Entscheidungen müssen überlegt sein und diskutiert werden. Sie müssen fachlich begründet eine Lösung darstellen und nicht im Koalitionshinterzimmer ad hoc aus dem Hut gezaubert werden.

Die Bemühungen müssen jetzt beginnen, und sie müssen in den nächsten Monaten und Jahren stetig fortgesetzt werden. Dabei will die SPD die Wünsche und Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger und die Fachausschüsse einbeziehen.

Bestes Beispiel dafür, wie es nicht vonstatten gehen sollte:

Am Dienstag letzter Woche werden erstmals Fakten und Zahlen zu Angebot und Nutzung des Ender Jugendzentrums im JHA eingefordert und auch präsentiert. Zuschauer und ein Mitglied des Ausschusses fragen nach dem Hintergrund dieses Tagesordnungspunktes. Eine Antwort erhalten sie vom Vorsitzenden nicht. Er mauert. Und das obwohl – wie wir vorgestern im Hauptausschuss erfuhren – eine Schließung des Hauses seit Wochen und Monaten in Ihren Reihen diskutiert wird.

Zwei Tage nach dieser Sitzung präsentiert die Jamaika-Koalition ihren Antrag zum Haushalt, den Grundsatzbeschluss zu fassen, die Grundschule im Dorf zu verlegen, das Ender Jugendzentrum ersatzlos zu schließen und den gesamten Gebäudekomplex, also Schule, Turnhalle, Jugendzentrum, vier Klassenräume der Förderschule mit der Abrissbirne dem Erdboden gleichzumachen. Grundstück vermarkten, in ein paar Jahren vielleicht 1,5 Mio. Euro erlösen, Haushaltsproblem somit gelöst?

Ach ja: Die in der JHA-Sitzung geforderten Zahlen für ein „auf den Prüfstand Stellen des Hauses“ erhielten die Mitglieder mit dem Protokoll, zwei Tage nach der Bekanntgabe des Schließungsvor-schlages!

Eine solch offenkundige Missachtung eines Ausschusses ist mir in den 10 Jahren, die ich dem Rat angehöre, noch nicht untergekommen. Herr Brandt, wie kann ein Jugendhilfeausschuss-Vorsitzender sich dazu hergeben – ohne vorherige Beratung und ausführliche Diskussion von alternativen Einsparmöglichkeiten – zwei Tage später die Schließung eines Jugendzentrums im Handstreich mitzutragen? So werden Sie den an Sie gestellten Anforderungen in keinster Weise gerecht!

In Umbau und Einrichtung dieses Hauses wurden im vergangenen Jahr über 120.000 Euro investiert. Es hat sich seit seiner Eröffnung im August 2009 enorm positiv entwickelt. Nachfrage und Akzeptanz sind gestiegen. Schließung und Abriss liegen für Sie ja wohl geradezu auf der Hand!?

Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten, im Bereich der Jugendhilfe einzusparen? Was schlagen die Betroffenen vor? Müssten evtl. Zuschüsse für die Ganztagsbetreuung zurückgezahlt werden? Was wird mit den von der ASS benötigten Klassenräumen in diesem Gebäude? Kann zukünftig in den Räumlichkeiten der GS Kirchende der steigende Bedarf an Ganztagsbetreuung befriedigt werden?

Diese Fragen sind von Jamaika gar nicht gestellt worden, diese Fragen sind auch nicht im zuständigen Fachausschüssen erörtert worden. Stattdessen: Abriss, Gelände vermarkten, die offene Jugendarbeit in Ende einstellen. Aus und vorbei.

Und ein zweiter Aspekt, nicht weniger wichtig: Herr Rohleder, ich gebe Ihnen ja durchaus Recht, wenn sie sagen, Politik müsse den Mut haben, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Aber ich frage: „Muss sie nicht auch den Mut haben, diese im Vorfeld mit den Betroffenen zu diskutieren?“

Das Ergebnis Ihres Vorgehens, das wir nicht mitmachen, sehen Sie an den öffentlichen Reaktionen, an den Protesten und an diesem gut gefüllten Ratssaal.

Bürgerbeteiligung bedeutet für die SPD nicht, erst einen Grundsatzbeschluss zu fassen und anschließend die Bürger zu fragen, was sie davon halten und ob es nicht vielleicht doch sinnvollere Alternativen gegeben hätte.

Und damit nicht genug: Auch der erfolgreichen Seniorenarbeit in Ende wirft Jamaika Knüppel zwischen die Beine. Nach intensiven Beratungen, das wiederhole ich bewusst, nach intensiven Beratungen fiel im September 2008 der Beschluss, das in die Jahre gekommene Begegnungszentrum Westende aufzugeben. Verbunden war damit auch die Zusicherung, ein neues, angemessenes Domizil für die erfolgreiche städtische Altenarbeit und für die auch in diesem Bereich sehr engagierte AWO Ende zu finden, die mehrmals wöchentlich offene Angebote für Senioren durchführt.

Und nun: Der kostenintensive Betrieb des Begegnungszentrums wird völlig zu Recht eingestellt, das Gelände komplett vermarktet und einer Wohnbebauung zugeführt. Aber die mit 900 Euro monatlich zu Buche schlagende Miete für neue Räumlichkeiten im umgebauten ehemaligen Edeka-Laden am Westender Weg ist Jamaika immer noch zu hoch? Abgesehen von dem eigentlichen Affront gegen die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger sei auch die Frage erlaubt: Können Sie denn nicht rechnen? Die Vermarktung des Geländes spült – im Haushaltsplan bereits eingesetzte – über 400.000 Euro ins Stadtsäckel, es entfallen durch eine solch sinnvolle Lösung jährlich rd. 28.000 Euro Personalkosten und 18.000 Euro an Abschreibungen. Die Betriebskosten werden sich deutlich verringern. Ja was denn noch?

Herdecke, eine kinder- und familienfreundliche Stadt
Gute und vor allem gleiche Chancen für alle Kinder
Dem demografischen Wandel aktiv begegnen
Bürgerschaftliches Engagement stärken
Seniorengerechte Angebote

Das waren und sind die Forderungen der Herdecker SPD, von denen wir nicht nur in Sonntagsreden Gebrauch machen, sondern nach denen wir auch handeln! Wenn das in Ihren Augen Klientelpolitik ist, dann können wir gut damit leben.

Die SPD sagt NEIN zu Ihren Grundsatzbeschlüssen. Wir sind zu Einsparungen in allen erdenklichen Bereichen bereit. Wir haben das gleiche Ziel. Aber ihren Weg dorthin lehnen wir ab. Diese unausgegorenen Sparmaßnahmen und diese unreflektierte Kahlschlag-Politik sind der Grund dafür, dass wir dem Haushalt in dieser Form unsere Zustimmung verwehren müssen.

Was wir – oft gemeinsam – und mühsam jahrzehntelang für Herdecke aufgebaut haben und erhalten konnten, gerät jetzt bei Jamaika unreflektiert unter den Hammer. Herdecker, zieht euch warm an! Radikal eingespart wird unter Schwarz/Grün/Gelb zuerst bei denjenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen! Wie zum Beispiel bei der offenen Seniorenarbeit und der Jugendhilfe.

Dem Problemfall Musikschule wendet man sich richtigerweise schrittweise und auf Grundlage fundierten Datenmaterials zu. Andere Klientel.

Vor einer Erhöhung der Grundsteuer B – und das noch in diesem Jahr – die jede Bürgerin und jeden Bürger belastet, schreckt Jamaika nicht zurück. Die Gewerbesteuer hingegen möchte man nicht antasten. Andere Klientel.

Wie man der Presse entnehmen konnte, spürte die CDU schon bei Unterzeichnung des Koalitionsvertrages die Last der Verantwortung: Ich zitiere: „Wir haben die Mehrheit zum falschen Zeitpunkt bekommen.“

Wenn ich mir nun die Art und Weise Ihrer politischen Entscheidungen ansehe, werte Jamaika-Fraktionen, Ihre hektischen und nicht zu Ende gedachten Umzugs- und Schließungspläne, dann muss ich sagen:

Nicht nur der Zeitpunkt ist falsch, die Tatsache, dass Sie in Herdecke zusammen die Mehrheit haben, das ist falsch! Und das wird den Herdecker Bürgerinnen und Bürgern jetzt und in Zukunft leider schmerzlich bewusst werden.

Zum Schluss nun geht unser Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die mit ihrer umfangreichen Arbeit im Rahmen der Haushaltserstellung die Grundlage für unsere heutige Beschlussfassung geschaffen haben, die für Fragen immer zur Verfügung standen und uns bei unseren Haushaltsberatungen unterstützt haben.

Vielen Dank.