Haushaltsrede 2012 von Nadja Büteführ

Unser Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die mit ihrer umfangreichen Arbeit im Rahmen der Haushaltserstellung die Grundlage für die heutige Beschlussfassung geschaffen haben. Vielen Dank besonders den Herren Zagler, Patzle und Zahlaus, die für Fragen zur Verfügung standen und uns bei unserer Haushaltsberatung unterstützt haben.

„Lege nicht mehr auf die Zunge, als der Kopf hergibt“, so lautet ein – wie ich finde – weiser Rat. Also ende ich hier. Vielen Dank.

Das würde Ihnen gefallen? Wird aber so nicht eintreffen.

Nein, das Recht, eine Haushaltsrede für die SPD zu halten, lass ich mir natürlich nicht nehmen. Und der Kopf gibt auch noch ein wenig mehr her.

Die Eckdaten des diesjährigen Haushaltes der Stadt Herdecke hat Herr Zagler bei der Einbringung des Haushaltes im Januar sehr detailliert dargelegt. Sie sind also bekannt und bedürfen nicht der Wiederholung. Der dort ebenfalls artikulierten Kritik an der Politik des Bundes (Schwarz-Gelb) und der des Landes (Rot-Grün) stimmen vermutlich alle Kommunalpolitiker zu, wenn es um die Leitplanken der Gemeindefinanzierung geht. Und obwohl das Klagen zwar laut und vernehmlich sein muss, um gehört zu werden, so ändert es zunächst nichts an den Problemen vor Ort.

Einige Rahmenbedingungen haben sich im Vergleich zum letzten Haushaltsjahr geändert. Eingehen möchte ich als Einstieg allerdings nur auf das Stichwort Nothaushalt und HSK.

Der Landtag hat Mitte letzten Jahres die Änderung des § 76 Gemeindeordnung NRW beschlossen. Das bedeutet: Künftig ist die Genehmigung eines Haushaltssicherungskonzeptes zulässig, wenn der Haushaltsausgleich innerhalb eines Zeitraumes von 10 statt zuvor 3 Jahren erreicht wird. Was heißt das? Die Stadt Herdecke steckt zwar nicht mehr im Nothaushalt, ist auch hier wieder keinen Cent reicher, hat aber die Möglichkeit, deutlich mehr Dinge, die sie sich sowieso längst nicht mehr nicht leisten kann, eigenständig zu entscheiden. Jetzt mal sarkastisch formuliert.

Nach dem nun vorliegenden HSK ist im Jahr 2021 der Haushaltsausgleich im Ergebnisplan zu erreichen. Im Finanzplan bereits 2017. Das bedeutet aber auch, dass sich das Eigenkapital der Stadt von 55 Mio. im Jahr 2007 auf 15 Mio. in 2021 verringern wird. Das allein ist schon dramatisch. Fußnote: Das könnte alles konkreter und gesicherter sein, wenn uns die Jahresabschlüsse der letzten 5 Jahre vorlägen! Und die dem HSK zugrunde liegende Planung, das muss deutlich gesagt werden, berücksichtigt sehr optimistisch eine anhaltend positive konjunkturelle Entwicklung und blendet etwaige Finanz- und sonstige Krisen völlig aus. Papier ist geduldig.

Und noch etwas muss klar sein: In diesem – wie ein Mitglied unserer Fraktion letztens sagte – in diesem Märchenbuch ist noch kein Euro berücksichtigt für die unausweichlichen Veränderungen und damit Investitionen im Schulbereich sowie in der Kinder- und Jugendarbeit.

Da verantwortungsbewusste Kommunalpolitiker – egal welcher Couleur – auch 2012 im Rahmen der Haushaltsberatungen nichts zu verschenken und finanziell auch wenig zu erhoffen haben, gilt es, Bestehendes zu überprüfen und die wenigen disponiblen Mittel zukunftsweisend einzusetzen. Vielleicht hilft das Instrumentarium des wirkungsorientierten Haushaltes dabei, das hoffentlich für die nächsten Beratungen 2013 nutzbar sein wird.

Früher war mehr Lametta! Will heißen: Heute ist der Baum ziemlich kahl!

Das erfordert Kreativität, Anstrengung und Mut. Vor allem aber sollte, das möchte ich auch in diesem Jahr wieder an die Adresse der Koalition sagen, die folgende Reihenfolge dabei eingehalten werden: Bestandsaufnahme, Analyse und Strategieentwicklung vor unüberlegtem Handeln und Abrissbirne. Erst zu Ende denken, dann reden, dann handeln.

Warum ist es um das Thema städtische Kinder- und Jugendarbeit im Moment so ruhig geworden? Weil nicht zu Ende gedacht wurde. Wer A sagt, muss nicht sofort B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war, liebe Koalition. Wir bieten auch hier unsere konstruktive Zusammenarbeit an, wenn es Ihnen darum geht, eine städtische Arbeit mit Kindern dort zu tätigen, wo sie hingehört. Und zwar in das direkte Umfeld von Schule. Wir sehen nun, wo die Grundschule im Dorf vermutlich nicht in das Gebäude der Grundschule Kirchende umziehen wird (Stichwort: „erst zu Ende denken und rechnen“) optimale Voraussetzungen für eine enge Verzahnung von Schule, Ganztag und städtischer Kinderarbeit genau an diesem Standort in Kirchende.

In der Jugendarbeit neue, vielleicht zeitgemäßere Wege zu beschreiten, ist sinnvoll, wenn die Angebotsqualität im Zentrum politischer Überlegungen steht und nicht vorrangig über Steine und Grundstückserlöse diskutiert wird.

Wir sind nun bei dem Bereich angelangt, für den in den Augen der SPD gilt: Sparen, ist viel zu teuer!

Im Bereich Bildung, im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit bedeuten heutige Investitionen und Ausgaben im oben beschriebenen Sinne mittel- und langfristig die Erträge der Zukunft. Hier stimmen die Herdecker Sozialdemokraten dem präventiven Ansatz von Hannelore Kraft zu. In welchem Maße allein die Sozialleistungen den städtischen Haushalt belasten, können wir doch jetzt schon sehen. Die Folgekosten unzureichender Bildung und Betreuung für die Gesellschaft sind Transferleistungen, entgangene Steuerzahlungen, Kosten im Gesundheitsbereich, in der Strafverfolgung usw. Das ist die Negativseite.

Nun die Positivseite: Kinder- und Familienfreundlichkeit ist im Zeitalter des demografischen Wandels ein zentraler Standortfaktor für Kommunen. Familien leisten viel für die Gesellschaft und sichern das Funktionieren der Gemeinschaft. Dazu brauchen sie Unterstützung. Doch wie werden Städte und Gemeinden, Vereine und andere Träger für Kinder und Familien attraktiv? Welche Strukturen fördern und unterstützen Eltern und ihre Kinder? Das sind die Fragen, die Politik beantworten muss. Wir meinen: Der Ausbau von Ganztagsangeboten an den Schulen, die Schaffung von Chancengleichheit durch längeres gemeinsames Lernen, bessere Betreuung für unter 3-Jährige sowie bedarfsorientierte Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien vor Ort, das sind die Bausteine dafür.

Aus diesem Grunde beteiligt sich die SPD Herdecke auch gerne am Prozess der Umgestaltung der Schullandschaft. Weil wir hier ganz genaue Vorstellungen haben, die wir als stärkste Partei in Herdecke berücksichtigt haben möchten, anstatt uns – wenn es vielleicht auch mal ungemütlich wird – auszuklinken.

Wichtig für die SPD ist: Eine Grundversorgung mit Grundschulen in den Stadtteilen muss gesichert sein. Kurze Beine, kurze Wege, wo immer dies möglich ist.

Und da wo es Umzüge, auslaufende Schulen, Übergänge geben wird, muss dies sehr sorgsam geplant und realisiert werden. Es geht um kleine Kinder und die Sorgen ihrer Eltern.

Die SPD ist mit dabei, wenn es darum geht, den momentan verunsicherten Eltern zu vermitteln, dass Ihnen demografiebedingt hier und da nicht nur etwas genommen wird, sondern dass jetzt zugleich mit einer Modellschule von 1-10 die Chance besteht, etwas wirklich Neues, etwas für alle Kinder Gutes zu bekommen.

Das könnte man dann vielleicht sogar qualitativ als wirklichen Demografiegewinn bezeichnen. Statt diesen Begriff nur – wie es gerne gemacht wird – finanziell zu missbrauchen. Denn finanziell wird im Kontext der Veränderung der Schullandschaft noch einiges zu wuchten sein.

Um jetzt nicht gefühlsduselig zu werden, wo alle Parteien bei der Modellschule an einem Strang ziehen: Dass hier in Herdecke auch Schwarz und Gelb mit am Tisch sitzen, wenn es um die Errichtung einer Modellschule geht, finde ich kurios, aber sehr erfreulich. In dieser Jamaika-Koalition scheint plötzlich nahezu alles denkbar. Die Grünen bebauen die Ruhrauen, die CDU subventioniert den Waldorfkindergarten, die FDP unterstützt eine Schule für alle. Und Die Linke will bei fast allem immer nie gar nichts. Mal schauen, was uns noch so alles bevorsteht!

Apropos Kindergarten: Zielführend ist die von Ihnen beantragte Unterstützung eines privaten Trägers einer Tageseinrichtung für Kinder nicht, wenn dann städtische Gelder für eine zusätzliche Gruppe mit auswärtigen Kindern verwendet werden anstatt freie Kapazitäten für den Ausbau der U3-Betreuung zu nutzen. Einen so wenig sachlich fundierten Antrag, eine solche Ungleichbehandlung der Träger, eine solch einseitige Klientelpolitik können wir Sozialdemokraten bei aller Liebe für den Kindergarten nicht unterstützen.

Einige unserer Anträge sind deckungsgleich, andere unterscheiden sich in Nuancen. Ich hoffe, dass wir da gleich die jeweils beste Lösung finden werden.

Bezüglich unseres separaten Antrags zum demografischen Wandel und privatem Wohneigentum hoffe ich nicht nur auf Ihre Unterstützung, sondern möchte Sie ausdrücklich darum bitten, weil uns dieses Anliegen sehr wichtig ist.

Um Herdecke zukunfts- und demografiefest zu machen, nicht zu halten, sondern zu machen, sind neue Denkansätze vonnöten, die zügig umgesetzt werden sollten. Nur ein Beispiel dafür:

In ganzen Wohnvierteln steht ein Generationenwechsel an, viele ältere Haus- und Wohnungseigentümer wollen sich kleiner setzen. Wie und wo ist die Nachfrage nach seniorengerechten Wohnungen zu befriedigen? Da ist das Projekt Ladestraße/Steinbruch richtig, aber bei weitem nicht ausreichend. Wie kann der Generationenwechsel in den Stadtquartieren gelingen? Sollte die Stadt weitere Flächen (zum Beispiel das Gelände der Grundschule im Dorf) für eine Wohnbebauung veräußern? Oder sollten diese für zukünftige städtische Zwecke vorgehalten werden? Muss hier vielleicht wohnortnah eine neue Infrastruktur entstehen? Wie können Leerstände vermieden werden, die eine Abwärtsspirale auslösen und die nicht nur den Immobilienmarkt ruinieren? Wie können junge Familien angesprochen werden? Hier bin ich dann wieder bei der Kinder- und Familienfreundlichkeit angelangt. Der Kreis schließt sich.

Das sind Fragen und anstehende Probleme, für die die SPD auf fundierter Grundlage Lösungen finden möchte. Und zwar bevor es zu spät ist.

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Thema Westfalia, Teil II. Es hat Politik und Verwaltung auch und besonders im Jahr 2011 in Atem gehalten und an die Grenze der Belastbarkeit gebracht. Die Auseinandersetzung um die Sache ist geführt und beendet, der Bebauungsplan von Ihnen so beschlossen.

Unsere Sorgen und Befürchtungen, die wir oft genug vorgebracht haben, haben sich durch die nun sichtbaren Baufortschritte weiß Gott nicht verringert. Ganz im Gegenteil. Wir wünschen diesem für Herdecke so wichtigen Projekt aber alles Gute, und zwar besonders im Sinne der von Ihnen postulierten Belebung der gesamten Innenstadt. Die aktuell darbende Fußgängerzone – wenn auch zunächst nur durch eine kleine Maßnahme zu stärken – ist Stoßrichtung eines unserer Anträge. Das Projekt Ruhraue abschließend zu bewerten, wird noch Gegenstand zukünftiger Aussprachen sein. Da können Sie sicher sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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