Entschuldigung, ich schweife ab. Ich wollte ja die Rede vom letzten Jahr halten. Eine Haushaltsrede. O.K.. Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben in diesem Jahr: Gute 5 Mio. Euro. Minus. Warum? Wenn ich die Reflexe gewähren ließe und es mir ganz einfach machte, so wie Sie manchmal, Die Sozis haben jahrzehntelang in Saus und Braus gelebt und Herdecke in den Ruin getrieben, dann würde ich jetzt sagen: Bald vier Jahre Jamaika in Herdecke und jedes Jahr Fehlbeträge in Millionenhöhe. Die können es einfach nicht!
Dass das zumindest bezogen auf die Ursache des Fehlbetrages Unsinn ist, wissen Sie. 1. Ursache: Umstellung auf das NKF im Jahr 2007. 2. Ursache: Die Kommunen haben i.d.R. kein Ausgabenproblem, sie haben ein Einnahmeproblem. Denn mittlerweile sparen sich die meisten Kommunen bereits seit Jahren fast zu Tode und kommen doch nicht hoch.
Sie, CDU, Grüne und FDP, reagieren darauf neben Wehklagen jetzt endlich mit einem Antrag auf Verfassungsklage gegen das Gemeinde-finanzierungsgesetz. Gut so! Wir sind dabei und verklagen gemeinsam mit Ihnen allen und vor allem mit den Grünen die von uns gestellte rot-grüne Landesregierung. Das nenn ich mal politische Solidarität auf kommunaler Ebene.
Und es geht noch weiter: Wir stellen einen Antrag auf Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die SPD meint, hohe Privatvermögen müssen stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Beide Anträge gehen m. E. in die richtige Richtung. Aber sind Sie hier auch mit dabei? Ich bin sehr gespannt, ob Ihnen der Blick über den Tellerrand auch hier gelingt.
Doch das Problem vor Ort bleibt. Der Handlungsspielraum für politisches Gestalten bleibt auch 2013 zumindest in finanzieller Hinsicht begrenzt. Also muss abgewogen werden, müssen Entscheidungen getroffen und vor allem Prioritäten gesetzt werden. Die Konfliktlinien, die politisch bestehen, schlagen sich entweder nicht direkt pekuniär nieder oder aber sie finden sich nicht im Haushaltsplan dieses Jahres wieder. Die SPD wird dem vorgelegten Haushaltplan 2013 und dem HSK daher zustimmen.
Unser Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die die Grundlage für die heutige Beschlussfassung geschaffen haben. Vielen Dank besonders Frau Fleitmann sowie den Herren Zagler und Zahlaus, die für Fragen zur Verfügung standen und uns bei unserer Beratung unterstützt haben. Die Vorbereitung der heutigen Beschlussfassung in den Fachausschüssen ist in diesem Jahr erstmalig gut gelungen.
Nicht zuletzt deshalb ist die Zahl unserer darüber hinaus als Tischvorlage eingereichten Anträge zum Haushalt sehr überschaubar. Wir meinen: Es liegen genügend Beschlüsse zum Haushalt aus den vergangenen Jahren immer noch auf dem Tisch. Einige schlechte nur von Ihnen und viele gute von uns allen gemeinsam. Die SPD fordert, dass die Verwaltung in 2013 die vorliegenden Beschlüsse zu den Haushalten der Vorjahre endlich angeht und umsetzt. Wir haben sie in einer Zusammenstellung aufgelistet.
Und dann nenn ich Ihnen als Beispiel noch einen der nicht realisierten Beschlüsse zum Haushalt 2012: Energieeffizienzmaßnahmen in Schulen. Vom Rat 2012 zusätzlich bereitgestellte Mittel in Höhe von 25.000 Euro für die sukzessive Erneuerung der Beleuchtung in der FHS wurden in 2012 nicht abgerufen (s. Veränderungsliste), sondern auf 2013 geschoben. Und auf der anderen Seite beschließen wir hier heute ein ambitioniertes Klimaschutzkonzept mit dem Ziel, bis 2030 die CO2-Emissionen um 30 % zu reduzieren. Los gehts! Man hätte bereits früher zwar ohne umfangreiches Konzept, aber mit für notwendig erachtetem Kleinkram beginnen können, Sinnvolles zu tun! Weniger reden, einfach machen!
Auch da, wo es etwas zugunsten des städtischen Haushaltes zu vermarkten gibt, geht es nicht voran, geschweige denn weiter. Ich meine das städtische Grundstück am Bahnhof. Das Mehrgenerationen-Wohnprojekt scheitert leider an mangelnder Nachfrage, statt Bauherrenmodell ist nun die HGWG als Bauträger gefragt. Das wäre ein erster Schritt. Sehr gut. Gas geben. Da ist nämlich was zu erlösen. Nicht für einen Investor, sondern für den städtischen Haushalt!
Aber dass Sie das nicht so richtig verstehen, zeigt auch der folgende Fall Städtische Kinder- und Jugendarbeit und die evangelische Kirche. Im letzten Jahr hab ich beklagt, dass es ruhig geworden war um die städtische Kinder- und Jugendarbeit. Das stimmt im Augenblick nun wirklich nicht. Aber das hat nicht zwangsläufig auch mit Qualität der Diskussion zu tun. Denn was Sie zumindest in den Reihen von CDU und FDP zu diskutieren scheinen, ist leider der Wahnsinn, die städtische Infrastruktur abzureißen, damit Erlöse zu generieren, um diese dann direkt an die ev. Kirche weiterzugeben. Damit sie anbaut und ihr Gemeindehaus erweitert. Zur eigenen Nutzung und für eine von der Stadt Herdecke finanzierte Kinder- und Jugendarbeit. Wie unsinnig ist das denn? Oder, um im passenden Sprachduktus zu bleiben: Denn Sie wissen nicht, was Sie tun. Und das städtische Personal dreht dann Däumchen? Ach nein, die Vertreter der CDU und FDP haben dem Antrag der SPD im JHA, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, ja gar nicht zugestimmt.
Weiter mit dem Thema Investitionen. Für die Herdecke ja kein Geld hat. Wenn es um den Umzug der Grundschule im Dorf in das Gebäude der Grundschule Kirchende geht. In diesem Fall sagen wir wohl besser: Außer der SPD zieht niemand in Betracht, dafür Geld ausgeben zu wollen und u. U. auch zu können! Nämlich evtl. 1,2 Mio. Euro. mehr als für eine andere Umzugsvariante. Wenn der Betrag denn realistisch ist und nicht reduziert werden kann. Was bisher noch ungeprüft ist.
Werte, vermeintlich so sachkundige Bürger und Leserbriefschreiber von Grünen und CDU: Die SPD bezieht sich hier einzig auf den Fall, dass die Primusschule nicht gewünscht wird oder realisiert werden kann! Und das wissen Sie trotz gegenteiliger Darstellung sehr wohl. Wer taktiert hier?
Apropos 1,2 Mio. Euro. Da komm ich zwangsläufig zu einer ebenso bedeutenden, aber realen Investition im Finanzplan 2013, nämlich zur Erneuerung der Nierfeldstraße. In Anbetracht des allgemeinen Straßenzustandes in Herdecke und der Haushaltslage ein hartes Brötchen. Dennoch steht die SPD zu ihrer Zusage der vergangenen Jahre. Nicht zuletzt der dort im Nachhinein betrachtet in meinen Augen fälschlicherweise angesiedelte Abfallentsorgungs- und verwertungsbetrieb ist für diesen Zustand verantwortlich zu machen. Die weitere LKW-Beanspruchung und die damit verbundene Lärmentwicklung hat die Straße auf der Dringlichkeitsliste zu Recht nach oben katapultiert.
Was muss, das muss eben. Und geht dann wohl auch. Wenn eine Mehrheit das will.
Genauso würde es sich dann beim Umzug der Grundschule im Dorf in das Gebäude der GS Kirchende verhalten. Um das hier noch mal klarzustellen: Es ist ja nicht so, dass sich der aktuelle Fehlbetrag in Höhe von rd. 5 Mio. Euro dadurch schlagartig auf z. B. 6,2 Mio. erhöhen würde. Wir haben das Geld ja leider nicht in der Schatulle liegen, sondern müssen den Betrag finan¬zieren. Also: 1,2 Mio. Euro Kreditaufnahme, machte bei gegriffenen 3,5 Prozent Zins und Tilgung rd. 42.000 Euro jährlicher Belastung. Genauso wird letztlich jede andere unausweichliche oder für notwendig erachtete Investition (s. Brandschutz in der FHS oder Sanierung der Nierfeldstraße) auch realisiert. Wie war das z. B. mit der PCB-Sanierung der Hauptschule in der Vergangenheit? War nicht eingeplant, war irre teuer. Hat auch geklappt.
Ja, der Begriff der Kreativität hat sich bereits als Motiv nicht nur durch meine Haushaltsrede im letzten Jahr gezogen, sondern auch durch die des Herrn Gerigk. Allerdings war er es, der den Begriff nur mit Sparen in Verbindung gebracht hat. Aber nur durch Abreißen und durch Sparen allein kann keine nachhaltige Politik gemacht werden. Das hab ich schon im letzten Jahr versucht, Ihnen deutlich zu machen.
Öffentliche Haushalte funktionieren nicht wie das Sparbuch der schwäbischen Hausfrau. Öffentliche Haushalte haben Pflichten und Aufgaben zu erfüllen, die der Daseinsversorgung und Daseinsvorsorge dienen. Dazu zählen das Bereitstellen von Leistungen und Infrastrukturen sowie auch längerfristige Investitionen, die sich nicht in einem Haushaltsjahr abrechnen lassen. Um diese Aufgaben zu erfüllen, müssen und können öffentliche Haushalte auch Schulden machen, die sie zum Beispiel durch Steuereinnahmen und Gebühren refinanzieren, um die Zukunftsperspektiven zu sichern. Siehe dazu auch die Vorlage zum wirkungsorientierten Haushalt: Strategisches Ziel Herdecke, die familienfreundliche Stadt. Muss ich noch mehr sagen?
Ich wundere mich immer, mit welcher Regelmäßigkeit und Energie im politischen Alltag hier im Ratssaal und auch in Presseinfos und lancierten Leserbriefen von Seiten der Jamaika-Regierung auf der SPD herum gehauen wird. Hallo? Wenn Sie es immer noch nicht wirklich realisiert haben sollten, geht ja vielleicht auch bei manch einem nicht mehr so schnell: Wir sind jetzt die Opposition!
Sie sind die Regierung! Kümmern Sie sich lieber um Ihre Arbeit und gestalten Sie was! Nörgeln durften Sie gestern. Heute sind Sie diejenigen, die gute Vorschläge machen müssten, die Themen setzen.
Wir könnten es uns als Opposition wirklich leichter machen und die drei Jamaika-Koalitionäre einfach nur kritisieren. Doch meistens weiß ich gar nicht, wen ich außer den Grünen überhaupt kritisieren soll. Die präsentieren sich permanent ob gefragt oder nicht als Kopf und als Motor der Koalition. Die FDP tritt selten offensiv in Erscheinung, und dann wie im Kontext des Bürgerentscheides mit einem merkwürdigen Gebaren und völlig verqueren Verständnis von Bürgerbeteiligung. Und hier versucht diese Klientelpartei dann auch noch tatsächlich, unter Bezug auf das Gemeinwohl ihre Wählerschaft zu überzeugen, beim Bürgerentscheid mit nein zu stimmen. Die Freien Demokraten sind in Herdecke so liberal, dass es Ihnen noch nicht einmal gelingt, andere Standpunkte von Bürgerinnen und Bürgern zur Kenntnis zu nehmen, unkommentiert stehenzulassen und zu akzeptieren, dass es sie gibt.
Die CDU in Herdecke schafft das hingegen problemlos. Die lässt die Dinge einfach laufen. Die mischt sich gar nicht ein. Ist still geworden.
Ach ja, ich will auch noch den Blick in die andere Richtung werfen: Die beiden Vertreter der Linken, bei aller Freude über ein oft gleiches Abstimmungsverhalten, sind leider auch zu oft a) entweder nicht am Platze oder b) stumm. Zur Ehrenrettung der beiden muss ich allerdings sagen, dass im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen, da nehm ich uns nicht aus noch kein Mitglied dabei beobachtet wurde, in einer Ratssitzung eingeschlafen zu sein.
Apropos still und stumm. So emotional aufgeladen wie in den letzten Wochen war die öffentliche Diskussion in Herdecke, glaube ich, nicht oft. Mir fallen ad hoc nur zwei Anlässe ein: Ihr Abrissbeschluss 2010 und das Quartier Ruhraue 2011/2012. Und auch im Jahr 2013 ist die Bürger¬schaft in Herdecke wieder total zerrissen. Schade, dass es so weit gekommen ist, dass jetzt auch noch der sogenannte Schulfrieden dahin ist. Und ohne das jetzt noch weiter anheizen zu wollen: Schlecht gemacht, Verwaltung. Schlecht gemacht, Politik.
Wir als SPD dürfen uns ans Revers heften, rechtzeitig das Konfliktpotenzial eines Ratsbeschlusses erkannt zu haben, der nicht an das Zustandekommen der Modellschule gebunden war. Wir müssen uns allerdings ans Revers heften, dass wir unser Unwohlsein vor einem halben Jahr nur als Protokollnotiz formuliert haben und nicht in einen Antrag gegossen haben. Nachher ist man immer schlauer. Aber dafür, dass wir dadurch den Weg für eine Modellschule offenhalten wollten, wenn sie von den Eltern gewünscht wird, müssen wir uns von Ihnen ganz gewiss heute nicht kritisieren lassen.
Nun sollen also nach Ihrem Willen am Wochenende die Bürgerinnen und Bürger über die Grundschulumzüge ohne Modellschule entscheiden: Ja oder nein? Und im Mai werden dann endlich die betroffenen Eltern gefragt, was sie von der Modellschule halten: Werden Sie ihr Kind dort anmelden? Wie die Ergebnisse auch ausfallen, die Parteien und die Verwaltung haben sie zu akzeptieren und daran ihr weiteres Handeln auszurichten.
Diese Rede erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zwei Projekte möchte ich aber zumindest noch ankratzen, da Sie noch nicht beendet sind und daher nicht abschließend beurteilt werden können. Das Thema Bahnhof überlass ich generös dem selbsternannten Lokführer, der nach 28 Jahren mühevoller politischer Arbeit hoffentlich endlich mit seinem Zug aus dem dunklen Tunnel raus ist, um sich dann in den Bus zu setzen und zum Westfalia-Gelände zu fahren. Hier hofft die SPD, dass sich die anfänglich zu beobachtende Zurückhaltung als temporär erweist, durch Sonnenstrahlen abgelöst wird und sich das Quartier unter dem Strich als Gewinn für Herdecke entpuppt.
Wir Sozialdemokraten werden den geplanten Platz an der Kampstraße, die Umgestaltung der unteren Hauptstraße und besonders die Fußgängerzone nicht aus den Augen verlieren. Allein dadurch schon nicht, dass wir auch hier wieder nicht nörgeln, sondern handeln und durch den Umzug unseres Parteibüros selbst zur Attraktivierung dort beitragen werden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.