Rat verabschiedet den Haushalt für 2016

Trotz der zur Verbesserung der Finanzen im Dezember 2014 beschlossenen Grundsteuererhöhung, trotz einer Beschränkung aller verantwortlichen Akteure auf das Wesentliche, trotz vieler Einsparmaßnahmen im Kleinen, trotz einer positiven Konjunktur, trotz höherer Einnahmen durch die Gewerbesteuer, trotz eines Niedrigzinsniveaus und, und, und liegt der für 2016 erwartete Fehlbetrag heute nicht bei den ursprünglich prognostizierten 4,3 Mio. oder besser, sondern im Gegenteil bei 7,2 Mio. Euro.

Eine wesentliche Ursache für die zugespitzte Problemlage der Städte und Gemeinden ist 2015 auf einer übergeordneten europäischen, ja internationalen Ebene zu suchen. Aber nun haben wir vor Ort nicht primär mit den Auswirkungen einer internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu kämpfen, diesmal schlagen sich internationale politische Krisen, Katastrophen, Bürgerkriege und vermeintliche Glaubenskriege, die auch die Folge außen- und sicherheitspolitischer Fehler sind, in jeder einzelnen Gemeinde ganz konkret erfahrbar nieder. Im Zusammenleben im Stadtteil und eben auch im städtischen Haushalt.
Wesentlich für das hohe Defizit 2016 ist die Tatsache, dass die Zahl der in Herdecke untergebrachten, vor Krieg, Krankheit und Armut geflohenen Menschen in den letzten 11 Monaten von 123 auf 352 angestiegen ist und die Kommunen den Großteil der Kosten dafür übernehmen.

Und so begleitet uns in meiner diesjährigen Rede nicht der eingangs erwähnte Kämmerer aus Arnsberg, sondern trotz oder gerade wegen aller Ernsthaftigkeit der Angelegenheit Bob der Baumeister. Er ist der eigentliche Urheber der Antwort auf die Frage: Schaffen wir das?, die die Bundeskanzlerin dankenswerter Weise vorgegeben hat: Wir schaffen das! Als weniger bedeutendes Licht vor Ort erlaube ich mir meine persönliche Einschätzung und die der SPD zu ergänzen: Wir müssen das schaffen. Aber: Das wird nur gemeinsam gelingen!

In den letzten Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg hat Deutschland noch viel mehr geschafft: Flüchtlinge in ganz großer Zahl gab es bereits in den 40er und 50er Jahren und zuletzt in den 90ern. Viele von uns dürften da persönliche, gar verwandtschaftliche Erfahrungen haben. Bekannte und Freunde sind zum Beispiel polnischer, türkischer, italienischer oder ex-jugoslawischer Herkunft. Über Jahre und Jahrzehnte gelang hier im Ruhrgebiet die Integration der unterschiedlichsten Kulturen und Religionen und ein weitgehend friedliches Zusammenleben. Die vielen sog. Gastarbeiter wurden schrittweise zu einem integralen Bestandteil unserer Gesellschaft. Sicher, es gab und gibt immer noch Parallelgesellschaften, das ist nicht zu leugnen. Nicht zuletzt die deutsche Einheit und die Wirtschafts- und Finanzkrise haben allen Bürgerinnen und Bürgern viel abverlangt. Volkswirtschaftlich, kommunal und auch individuell.

Aktuell einfach zu sagen, wir schaffen das, ist in meinen Augen falsch. Deshalb sage ich lieber: Wir müssen und können das gemeinsam schaffen. Das fängt bei europäischen Absprachen an, geht über die gerechte Verteilung auf alle Länder und meint auch die finanzielle Unterstützung und Entlastung der Kommunen durch Bund und Land. Übrigens: In kaum einem anderen Bundesland ist der Kostendeckungsgrad bei den Aufwendungen für geflohene Menschen so gering wie in NRW. Das ist zu kritisieren, und das ist dringend zu verbessern.

Auf der anderen Seite können wir in NRW und in Herdecke froh und stolz sein, dass wir keine Pegida-Aufmärsche wie in Dresden haben und dass wir nicht so tumbe Politiker in unseren Reihen haben, die Stacheldrahtzäune an den Grenzen hochziehen wollen, die den Familiennachzug syrischer Menschen verhindern wollen oder aber die im Kontext der Terroranschläge in Paris so bescheuerte und gefährliche Äußerungen in die Welt setzen wie Markus Söder, bayerischer Staatsminister für Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Ich möchte sie nicht wiederholen, um ihnen nicht unnötig Wert zu verleihen.

Die SPD in Herdecke dankt den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für ihr vielfältiges Engagement für die bei uns untergekommenen Flüchtlinge. Ohne diese Hilfe ginge gar nichts. Wir sind allerdings ebenfalls der Auffassung, dass hier das Ehrenamt dringend das Hauptamt braucht. Und so waren es in den vergangenen Monaten viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Sozialamt und der Verwaltung insgesamt, die die Lage erkannt haben, die eingesprungen sind, wo und wann es vonnöten war, die die Ärmel hochgekrempelt haben und weit mehr geleistet haben, als sie mussten! Dafür bedanken wir uns an dieser Stelle ganz herzlich und bitten darum, den Dank weiterzutragen. Durch ihren Einsatz ist die Lage in den Stadtteilen und Nachbarschaften in Herdecke ruhig und entspannt.

Doch die Zahl der geflohenen Menschen wird auch bei uns weiter zu-nehmen, die Helfer und die städtischen Mitarbeiter sind auf Dauer nicht in diesem Ausmaß belastbar. Zeitweise zurecht vernachlässigte Aufgaben der Kommunalverwaltung müssen zukünftig wieder in vollem Umfang erledigt werden. Und es bedarf fachlich qualifizierter Betreuung und fester Ansprechpartner für die bald 400 Menschen. Das ist die Überzeugung der SPD.

Deswegen haben wir den Antrag eingebracht, zunächst für 2016 und 2017 Personalmittel für eine zusätzliche Stelle zur sozialpädagogischen Betreuung der geflohenen und in Herdecke untergebrachten Menschen in den Haushalt einzustellen. Ohne diesen Beschluss, der im Fachausschuss bereits einstimmig gefasst wurde, ist die Zustimmung der SPD zum Haushaltsentwurf 2016 nicht zu bekommen. Es kann ja wohl nicht wahr sein und ist an Paradoxie nicht zu überbieten, dass die stetig steigenden Aufwendungen für die wachsende Zahl von Flüchtlingen die Ursache dafür sein sollen, dass hier die Enden beim HSK nicht zusammenzuführen sind und für die Bewältigung dieser weiter dynamischen Entwicklung kein Geld da ist! Diese Stelle ist nur der klitzekleine Anfang auf dem langen Weg zur Integration dieser Menschen in Deutschland und in Herdecke. Diese Finanzposition ist aus humanitären Gründen unabdingbar. Es reicht nicht aus, den Menschen ein Bett, Kleidung und Essen zur Verfügung zu stellen. In den nächsten Jahren wird noch sehr viel mehr erforderlich sein! Die SPD möchte heute bereits damit beginnen.
Ein zusätzlicher Aspekt, der für die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens nicht außer Acht gelassen werden darf: Das wertvolle ehrenamtliche Engagement wird auch weiterhin für die hilfebedürftigen und schwachen Menschen benötigt, die hier aufgewachsen sind.

Und um jetzt wieder nüchtern zu den Zahlen zurückzukehren: Wir schlagen als Kostendeckung für diese zusätzliche Stelle die zu erwartenden Minderausgaben bei der Kreisumlage in Höhe von 396.973 Euro vor. Der Hebesatz soll nach unseren Informationen auf 46,9 Prozentpunkte gesenkt werden.

Ich hatte bzgl. der Flüchtlingsentwicklung von einem gemeinsamen Handeln der Demokraten gesprochen und bemühe den Begriff der Zusammenarbeit auch für andere Herdecker Herausforderungen der Zukunft. Stichwortartig werfe ich Themen und Ziele in den Raum, von denen die SPD den Eindruck hat, dass bereits in den Grundzügen Einigkeit zwischen den beiden großen Parteien in Herdecke und den mittlerweile diversen Partei- und Fraktionssplittergruppierungen besteht:

•Beibehaltung der noch bestehenden freiwilligen Leistungen und Erhalt der städtische Einrichtungen
•Erhalt der Altanlagen des Koepchenwerkes als Landmarke und Entwicklung eines neuen, attraktiven touristischen Nutzungskonzeptes
•Einsatz für eine alternative Trassenführung der geplanten Höchstspannungsleitung von Kruckel nach Garenfeld
•Ertüchtigung des Wittbräucker Waldweges in Abstimmung mit dem Vorhaben zur Vergrößerung des RWE-Pumpspeicherbeckens sowie dem drohenden AMPRION-Projekt
•Ergänzung der Bebauung am Bahnhof durch einen günstigen, aber attraktiven und nachhaltigen sozialen Wohnungsbau als drittem Bauabschnitt
•Sorgfältige Planung und kritische Abwägung bei der Umgestaltung der Fußgängerzone (Qualität vor Geschwindigkeit)
•Städtebaulich ansprechende Gestaltung des Kötterhof-Areals
•Verzicht auf "Lametta" in Gestalt einer Aussichtsplattform über der Ruhr
•Aktives Einwerben von Fördermitteln nicht nur für die lange schon gemeinsam beschlossene Umstellung auf LED-Beleuchtung
•Bestückung der städtischen Gebäude sowie der Flüchtlingsunterkünfte mit öffentlichem WLAN

Sollten dies keine Gemeinsamkeiten sein, dann haben Sie
1. gleich die Chance zu widersprechen, nehmen die Ausführungen dann aber bitte
2. als Werben um Unterstützung für diese Positionen der SPD zur Kenntnis.

Dass nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, selbst jetzt nicht vor Weihnachten, ist gut und richtig so.

Wenn ich das vergangene Jahr Revue passieren lasse , dann fällt mir zum Beispiel ein:

Einige Monate waren vom Wahlkampf um das Bürgermeisteramt geprägt, der in weiten Teilen – mit Ausnahme der FDP – sehr fair geführt wurde. Am Ende stand ein klarer Sieg der Amtsinhaberin über einen Herausforderer, der seine Sache engagiert und gut gemacht hat.
Und der im Übrigen ob seiner parteipolitischen Verbindungen zu einem Flüchtlingsgipfel nach Berlin gefahren ist, der die Bürgermeisterin im Wahlkampf eingeladen hat zu einem Termin in Düsseldorf mit Herrn Staatssekretär Dr. Horzetzki in Sachen Amprion, und der einen weiteren Staatssekretär wegen des Koepchenwerkes für einen Besuch in Herdecke gewonnen hat. Das nur zum Thema parteilose Bürgermeister, das so gerne in letzter Zeit bemüht wird …

Und dann erinnere ich mich sogleich an ein völlig abstruses Politikverständnis der FDP Herdecke, in einem Leserbrief nach der Wahl geäußert, und an ein Kommunikationsverhalten, das unverschämte Äußerungen auf facebook impliziert, die man noch nicht einmal unseren jungen Leuten zugesteht. Ein darauf folgender persönlich adressierter offener Brief meinerseits wurde übrigens bis heute weder schriftlich noch mündlich von der FDP beantwortet. Merkwürdiger Umgang, wo wir doch regelmäßig miteinander zu tun haben.

Auf die kuriosen Verbalkämpfe um eine Parkscheibe, um 1, 2 oder gar 3 Parkscheinautomaten möchte ich nur kurz eingehen. Bevor hier Fakten geschaffen werden, fordert die SPD wie schon in den vergangenen Haushaltsberatungen ein durchdachtes Parkraumbewirtschaftungskonzept ein, das steuernd eingreift und vor allem die verschiedenen Bereiche der Innenstadt gleichberechtigt einbezieht. Das ist eine Überzeugung und ein Anliegen der SPD. Das Blockadepolitik zu nennen, ist nicht nur undemokratisch, es ist anmaßend und arrogant.

2016 Haushaltsmittel für Parkscheinautomaten einzustellen, ist in unseren Augen O.K. Aber das ist mit einem Sternchen sprich Vorbehalt versehen, ebenso wie der Wittbräucker Waldweg. Der BPVA hat nun mal zu entscheiden und sollte nach unserer Meinung die schwächelnde Fußgängerzone und die neu gestaltete Hauptstraße um den hoffentlich bald mal fertigen Kampsträter Platz aufpäppeln und stärken, so gut es eben möglich ist. Und hier dem Einzelhandel und Gewerbe keine Steine in den Weg legen. Die lagen da jetzt schon lange genug herum.

Kommen wir nun erneut zur Festsetzung der Eingangsklassen an den Grundschulen. Wichtig ist der SPD eine kinder- und familienfreundliche Stadt. Dazu gehören auch wohnortnahe Grundschulen mit Betreuungsangebot. Sie sind ein wichtiger Standortfaktor für eine Stadt. Kurze Beine, kurze Wege, dieses SPD-Motto hatte die Bürgermeisterin in der Podiumsdiskussion im Wahlkampf für sich reklamiert. Und nun?

Das Auseinanderklaffen von Elternnachfrage und Schulinfrastruktur vor Ort, das sich jetzt erneut an den Anmeldezahlen für die Grundschulen zeigt, ist die von der SPD vorhergesehene Folge der falschen Schulpolitik der ehemaligen Jamaika-Koalition. Aktuell und auch zukünftig ist das Einzugsgebiet Westende/Kirchende mindestens zweizügig, das der Grundschule im Dorf im Hauptschulgebäude einzügig. Das ist nicht neu. Die SPD hat das in der Vergangenheit oft gesagt. Deshalb waren wir für den zweizügigen Ausbau der Grundschule Kirchende, die jetzt Hugo Knauer Schule heißt. Deshalb haben wir im letzten Jahr zwei Eingangsklassen dort durchgesetzt und nun erneut den Einsatz modularer Erweiterungen für eine zweite Eingangsklasse beantragt. Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen: Die von Ihnen praktizierte Schulpolitik in Herdecke war ausschließlich von Eurozeichen in den Augen geprägt und hat die Elternwünsche völlig ignoriert. Von wegen kurze Beine, kurze Wege!

Und zuletzt: Nach wie vor fordert die SPD ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept der Verwaltung ein. Ist nach Abschluss der Bebauung an der Ruhr und am Bahnhof Schluss? Was plant die Verwaltung für die nächsten Jahre? Wohin geht die Reise? Nehmen Sie uns mit, Frau Bürgermeisterin, wir erwarten das Aufzeigen einer Perspektive! Wir sind doch in der glücklichen Lage, eine promovierte Stadtplanerin an der Spitze der Verwaltung zu haben und keinen ehemaligen Boxweltmeister.

Vieles mehr könnte ich ansprechen, komme aber nun zum Schluss.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns bei den an der Aufstellung des Haushaltsentwurfes 2016 beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insbesondere der Kämmerei und des Finanzbereiches und auch beim Rechnungsprüfungsamt für die Arbeiten und wertvollen Hinweise im Rahmen der Abschlussprüfungen 2011 und 2012.

Die dort festgestellten Mängel und Versäumnisse müssen, das ist eine Forderung der SPD, schnellstmöglich und grundsätzlich abgearbeitet werden. Noch einmal lassen wir uns mit Verweis auf die Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Verwaltung nicht die Pistole auf die Brust setzen.

Auch 2015 stehen wir wieder sinnbildlich alle in unserem kurzen Hemd da und suchen händeringend die eierlegende Wollmilchsau, die am besten auch noch fliegen kann und von Hause aus „schwer was an den Füßen hat“. Wenn wir die nicht bald finden, wenn der Zustrom an Flüchtlingen anhält, wenn die Finanzierung der Kommunen nicht auf andere Füße gestellt wird, wenn gar der Konjunkturmotor stocken sollte oder das Zinsniveau ansteigt, dann können wir uns hier vor Ort drehen und wenden, dann können wir einsparen und streiten, dann fliegt uns trotz alledem schon im nächsten Jahr der Haushalt 2017 und dann auch das gesamte Haushaltssicherungskonzept um die Ohren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und trotzdem frohe Weihnachten, eine ruhige, entspannte Zeit und Glück auf