Auch in diesem Jahr beklagte SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Nadja Büteführ in ihrer Haushaltsrede die unzulängliche Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Land. Nach wie vor werden die Kosten für an sich sinnvolle Gesetzesänderungen, wie jetzt beim Unterhaltsvorschuss, an die Kommunen durchgereicht.
Auch der Kostenanteil für die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung und Integration ist zwar geringer geworden, aber keineswegs ausreichend. Gleichwohl machte die SPD-Fraktionsvorsitzende deutlich, dass diese Integration eines Konzeptes bedarf, um alle Kräfte zu bündeln. Der gemeinsame Antrag von SPD und Grünen auf Erstellung eines Integrationskonzeptes wurde vom Rat so verabschiedet.
Mit der Forderung nach einer zweiten Eingangsklasse in der Hugo Knauer-Schule konnte sich die SPD-Fraktion jedoch wie im vergangenen Jahr nicht durchsetzen.
Die Haushaltsrede von Nadja Büteführ im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,
wenn ich zu Hause sitze und die jährliche Haushaltsrede vorbereite, dann führe ich mir die finanzielle Lage der Stadt Herdecke vor Augen, werfe einen Blick zurück auf die politischen Entscheidungen und Entwicklungen des abgelaufenen Jahres, überlege wie es zukünftig weitergehen soll und wird. Und im Idealfall habe ich dann eine kleine Geschichte, einen roten Faden, der die Stichworte und Elemente zusammenhält. In den letzten beiden Jahren waren das der Kämmerer der Stadt Arnsberg mit seinem Zitat „wir sind nah dran am Bürger, aber weit weg vom Einfluss auf die Finanzierung kommunaler Haushalte“ und Bob der Baumeister, dem ich ein Zitat in den Mund gelegt habe: „Wir müssen das schaffen!“ Damit waren zwei wesentliche Einflussgrößen der Haushaltslage benannt. Die grundsätzliche Schieflage der Gemeindefinanzierung und die Bewältigung des Zustroms geflüchteter Menschen. Beides ist auch im Dezember 2016 noch aktuell. Manches hat sich jedoch verändert. Manches hat sich sogar zugespitzt. Daher habe ich für die Haushaltsrede 2016 ein neues Motto gewählt, die Farbe ROT.
ROT: Den letzten beißen die Hunde!
Beim Aufstellen der Haushaltssatzung und bei der Haushaltsverabschiedung am Ende des Jahres lecken die Kommunen ihre Wunden. Von ursprünglichen Investitionshaushalten sind sie mittlerweile zu Sozialleistungshaushalten mutiert. Immer neue Aufgaben und Sozialleistungen werden insbesondere vom Bund, aber auch vom Land bei den Kommunen angedockt. Die zweifellos sinnvollen Veränderungen und zusätzlichen Ausgaben beim Unterhaltsvorschussgesetz zum Beispiel schlagen ab 2017 auch bei den Kommunen auf. Der Bund beschließt, die Kommune bezahlt. Außerdem hat die Stadt Herdecke 2017 erstmals eine Solidarabgabe für andere Städte zu leisten, die finanziell noch schlechter dastehen. 148.000 Euro. Da wir die nicht haben und selbst gegen die Verschuldung ankämpfen, muss ein Kredit dafür aufgenommen werden! Verrückte Welt.
Trotz der zur Verbesserung der Finanzen bereits 2014 beschlossenen Grundsteuererhöhung, trotz der für 2017 vorgesehenen – weil unvermeidlichen – Erhöhung der Gewerbesteuer, trotz einer Beschränkung der verantwortlichen Akteure auf das Wesentliche, trotz vieler Einsparmaßnahmen im Kleinen, trotz einer positiven Konjunktur, trotz eines Niedrigzinsniveaus und, und, und liegt der für 2017 erwartete Fehlbetrag heute nicht bei den ursprünglich prognostizierten 3,5 Mio. oder gar besser, sondern im Gegenteil doppelt so hoch bei aktuell über 7 Mio. Euro.
Zugespitzt wird die finanzielle Problemlage der Städte und Gemeinden nachwievor durch die Folgen internationaler politischer Krisen, Katastrophen, Bürgerkriege und vermeintlicher Glaubenskriege. Die Zahl der vor Krieg, Krankheit und Armut geflohenen Menschen steigt nicht mehr so rasant wie im letzten Jahr aber dennoch beständig. Die nüchterne finanzielle Betrachtung sieht so aus: Zwar ist der Kostenanteil der Kommunen mittlerweile durch Mittelbereitstellung von Bund und Land geringer geworden, dennoch sind wir noch lange nicht bei 0 angelangt. Wie genau verhält sich das eigentlich mit den 434 Mio. Euro, die das Land NRW dafür jüngst zusätzlich vom Bund bekommen hat? Ich kann das aufgrund meiner Informationen im Moment nicht nachvollziehen! Auch 2016 ist in kaum einem anderen Bundesland der Kostendeckungsgrad der Kommunen bei den Aufwendungen für geflüchtete Menschen so gering wie in NRW. Das ist zu kritisieren, und das ist dringend zu verbessern: Da könnte man ja fast für ein Landtagsmandat kandidieren …
Das inhaltliche Anforderungsprofil für Verwaltung und Politik auf dem Gebiet „geflüchtete Menschen“ hat sich mittlerweile verändert. Ein Dach über dem Kopf, Ausstattung und Versorgung mit dem Nötigsten ist die eine Sache, die fundamentale Aufgabe. Das ist in Herdecke durch Hauptamt und Ehrenamt super gelungen. Die SPD spricht ein dickes Dankeschön und Lob an alle Beteiligten aus. Aber jetzt geht es erst richtig los! Eine gelingende Integration dieser Menschen in unsere Zivilgesellschaft benötigt ein Konzept, einen Plan und eine Bündelung aller Kräfte. Deshalb ist unser zentrales Anliegen in den Haushaltsberatungen dieses Jahres die Entwicklung eines Integrationskonzeptes für Herdecke. Ihnen liegt ein separater Antrag dazu vor.
ROT: Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Das sind seit jeher die Ideale der Sozialdemokratie. Wichtig ist uns wie allen echten Demokraten der Zusammenhalt der Gesellschaft. Über Jahre und Jahrzehnte gelang gerade hier im Ruhrgebiet die Integration der unterschiedlichsten Kulturen und Religionen und ein weitgehend friedliches Zusammenleben. Die vielen sog. Gastarbeiter wurden schrittweise zu einem integralen Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir haben Erfahrungen, die wir nutzen können und wir haben die Gewissheit, dass Integration klappen kann, wenn wir an einem Strang ziehen, Durchhaltevermögen zeigen und jeder Einzelne nicht über Gebühr belastet wird.
Bereits im letzten Jahr habe ich hier darauf hingewiesen, dass das Ehrenamt dringend das Hauptamt braucht. Deswegen hatte die SPD den Antrag eingebracht, Personalmittel für eine zusätzliche Stelle zur sozialpädagogischen Betreuung der geflohenen und in Herdecke untergebrachten Menschen in den Haushalt einzustellen. Nicht zuletzt dadurch war auch im abgelaufenen Jahr die Lage in den Stadtteilen und Nachbarschaften in Herdecke ruhig und entspannt. Aber diese Stelle war nur der klitzekleine Anfang auf dem langen Weg zur Integration dieser Menschen in Deutschland und in Herdecke. In den nächsten Jahren wird noch sehr viel mehr erforderlich sein!
Dass wir bei allen Bemühungen bei der Integration von geflüchteten Menschen im Sinne des sozialen Friedens die hilfebedürftigen, schwachen und benachteiligten Menschen nicht aus dem Blick verlieren dürfen, die in Deutschland aufgewachsen sind, das führt das Erstarken rechtspopulistischer Dumpfbacken und Parteien weltweit eindringlich vor Augen.
ROT: Nicht nur aus diesem Grund ist die SPD der Auffassung, dass bei der Situation der kommunalen Haushaltslage wenig Raum für Begehrlichkeiten ist. Hier setzen wir den Rotstift an. Für uns ist es den Bürge¬rinnen und Bürgern nicht vermittelbar, für eine Gegenfinanzierung von „Ich-wünsch-mir-was“ erneut an den kommunalen Steuerschrauben oder Abgabesätzen zu drehen wie dies die Grünen vorsehen. Und eine Erhöhung der Elternbeiträge für die Kita-Betreuung oder die Offene Ganztagsschule – das sind die Vorschläge der FDP – ist mit uns Roten grundsätzlich nicht zu machen. Da stehen wir zu dem langfristigen Ziel der Sozialdemokraten, dass Bildung beitragsfrei sein soll.
ROT: Und wo wir gerade bei Bildung sind, fällt mir dazu auch heute wieder ein: Kurze Beine, kurze Wege. Und jährlich grüßt das Murmeltier: Unsere Auffassung, dass die Hugo-Knauer-Schule zweizügig ausgelegt werden sollte, hat sich auch in diesem Jahr nicht geändert. Wichtig ist der SPD eine kinder- und familienfreundliche Stadt. Dazu gehören auch wohnortnahe Grundschulen mit Betreuungsangebot. Sie sind ein wichtiger Standortfaktor für eine Stadt.
Das Auseinanderklaffen von Elternnachfrage und Schulinfrastruktur vor Ort, das sich jetzt erneut an den Anmeldezahlen für die Grundschulen zeigt, ist die von der SPD vorhergesehene Folge der falschen Schulpolitik der ehemaligen Jamaika-Koalition. Aktuell und auch zukünftig ist das Einzugsgebiet Westende/Kirchende mindestens zweizügig.
Deshalb haben wir zwei Forderungen. Erstens beantragen wir auch in diesem Jahr wieder die modulare Erweiterung für eine zweite Eingangsklasse. Und zweitens möchten wir, dass der Schulentwicklungsplan fortgeschrieben wird, damit auch Sie endlich die aktuellen Zahlen zur Kenntnis nehmen. Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen: Die von Ihnen praktizierte Schulpolitik in Herdecke war ausschließlich von Eurozeichen in den Augen geprägt und hat die Elternwünsche völlig ignoriert. Von wegen kurze Beine, kurze Wege!
ROT: Das zieht sich wie viele meiner folgenden Bemerkungen als roter Faden durch die Haushaltsreden der letzten Jahre.
ROT: Was wollen die Roten in Herdecke für 2017? Wofür steht die SPD? Hier abschließend einige Stichworte:
Die SPD setzt sich ein für die Beibehaltung der noch bestehenden freiwilligen Leistungen und städtischen Einrichtungen wo immer es geht.
Bevor durch Einzelmaßnahmen Fakten geschaffen werden, fordert die SPD wie schon in den vergangenen Haushaltsberatungen von der Verwaltung endlich und kurzfristig ein durchdachtes Parkraumbewirtschaftungskonzept ein, das steuernd eingreift und vor allem die verschiedenen Bereiche der Innenstadt gleichberechtigt einbezieht.
Der Bereich des oberen Nackens bedarf einer Initiative zur Verbesserung des Wohnumfeldes.
Die Alte Schule ist in den Augen der SPD entbehrlich und nicht geeignet für die Flüchtlingsunterbringung. Stattdessen sollte die kulturelle Nutzung intensiviert werden und dem Künstlerehepaar, das jahrzehntelang gut genug dafür war, die Immobilie der Stadt zu betreiben, zu pflegen und zu attraktivieren, eine neue Perspektive zu veränderten Kondition geboten werden.
Wir hoffen auf den Zuschlag für die Regionale und freuen uns auf die gemeinsame Planung der konkreten Einzelprojekte mit den Nachbarkommunen.
Nach den gelungenen Anstrengungen für den Erhalt der Altanlagen des Koepchenwerkes als Landmarke steht die SPD bereit zur Mitwirkung bei der Entwicklung eines neuen, attraktiven Nutzungskonzeptes.
Wir führen unseren Einsatz für eine alternative Trassenführung der geplanten Höchstspannungsleitung von Kruckel nach Garenfeld fort.
Die SPD fordert die Ertüchtigung des Wittbräucker Waldweges im Jahr 2017.
Wir setzen auf die Ergänzung der Bebauung am Bahnhof durch einen günstigen, aber attraktiven und nachhaltigen sozialen Wohnungsbau.
Die ROTEN fordern die Forcierung der Umgestaltung der Fußgängerzone.
Wir setzen uns ein für Maßnahmen zum aktiven Einwerben von Fördermitteln. Um den Genossen Tebben zu zitieren: Wie viele der in den Jahren seit 2009 erhaltenen Fördermittel gehen auf die Initiative der aktuellen Stadtverwaltung zurück? Sind das nicht alles vor Ihrer Zeit eingeworbene Mittel?
Und zuletzt: Nach wie vor fordert die SPD ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept der Verwaltung ein. Ist nach Abschluss der Bebauung an der Ruhr und am Bahnhof Schluss? Was plant die Verwaltung für die nächsten Jahre? Was passiert mit der alten, neuen Vinkenbergschule? Was mit dem Kulturhaus an der Goethestraße? Was ist investiv im Straßenbau geplant? Im Haushalt stehen für die nächsten Jahre nur Nullen! Wohin geht die Reise? Frau Bürgermeisterin, wir erwarten bald eine Perspektive, einen Fahrplan für die Zukunft. Die Überlegungen für die weitere Entwicklung Herdeckes lassen sich nicht weiter aufschieben.
Viele Beschlüsse vergangener Haushaltsberatungen sind schlichtweg seitens der Verwaltung bisher nicht umgesetzt worden. Vieles lässt auf sich warten. Maßnahmen zur Umstellung auf LED-Beleuchtung, Grünflächenkataster, um nur zwei Stichpunkte zu nennen. Da erwarten wir eine deutliche Steigerung der Aktivitäten!
Und wenn ich das politische Jahr so kurz vor Weihnachten Revue passieren lasse, dann fällt mir abschließend noch ein:
Der Kampsträter Platz ist nach vielen Irrungen und Wirrungen gut gelungen.
Die neue Bebauung im Bereich Westfalia III ist in unseren Augen ziemlich fürchterlich.
Das gesamte Quartier bleibt bis heute den Beweis schuldig, die Innenstadt und insbesondere die Fuzo zu beleben.
Die von der SPD angestoßene Beschäftigung der Verwaltung mit dem Wochenmarkt, seiner Verbesserung und Ergänzung trägt Früchte: Ja, liebe Pressevertreter, da klopfen sich die ROTEN tatsächlich selbst auf die Schulter. Der Unterschied ist hier „nach langer Vorrede“ nur der: Das kann die SPD in ihrer eigenen Haushaltsrede tun. Darauf weist man aber nach unserem Geschmack und – wichtiger noch – nach journalistischen Grundregeln nicht kommentierend eingreifend im Bericht über eine Stellungnahme einer Partei hin. Nur mal so als Randnotiz, mit der die SPD sich wahrscheinlich auch nicht beliebter macht.
Die unternehmerische und wirtschaftliche Entwicklung des GVS ist eine Katastrophe für Herdecke, die die SPD und mich persönlich sehr berührt. Reflektieren Sie doch bitte mal kurz, werte Ratskolleginnen und -kollegen, die Sie schon länger dabei sind, wie Ihre Reaktion in der jetzigen Situation aussehen würde, wenn die SPD in den letzten Jahren den Vorstand dominiert hätte, was nicht der Fall war: Vorwürfe, Häme, verbale Attacken …
Vieles mehr könnte ich ansprechen, komme aber nun zum Schluss.
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,
die SPD-Fraktion, die sich im Gegensatz zu einigen anderen Fraktionen im Herdecker Rat nicht selbst zerlegt hat, sondern kürzlich um zwei Hospitanten angewachsen ist, wird dem Haushalt 2017 zustimmen. Wir bedanken uns bei den an der Aufstellung des Entwurfes beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insbesondere der Kämmerei und des Finanzbereiches und zum letzten Mal auch beim städtischen Rechnungsprüfungsamt.
Und enden möchte ich für 2016 mit den gleichen Worten wie in den letzten Jahren: Wieder stehen wir sinnbildlich alle in unserem kurzen Hemd da und suchen händeringend die eierlegende Wollmilchsau, die am besten auch noch fliegen kann und von Hause aus schwer was an den Füßen hat. Wenn wir die nicht bald finden, wenn die Finanzierung der Kommunen nicht auf andere Füße gestellt wird, wenn gar der Konjunkturmotor stocken sollte oder das Zinsniveau ansteigt, dann können wir uns hier vor Ort drehen und wenden, dann können wir einsparen und streiten, dann fliegen uns trotz alledem vor 2021 der Haushalt und das Haushaltssicherungskonzept um die Ohren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und trotzdem frohe Weihnachten, eine ruhige, entspannte Zeit und Glück auf.