Aus diesem Anlass hat der SPD-Stadtverband Herdecke vor einem Jahr eine beeindruckende Veranstaltung im ONIKON durchgeführt. Aufgrund der Corona-Pandemie können wir in diesem Jahr nur über Presse/soziale Medien an den Gedenktag erinnern. Dazu stellen wir einen Beitrag des langjährigen Hagener Genossen Rudolf Damm, zugleich Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, auf die Homepage der SPD-Herdecke. Der Text erschien ursprünglich im Gemeindebrief „Hasper Salz“ der Evangelischen Kirchengemeinde Hagen-Haspe.
Die Herdecker Sozialdemokraten verstehen den Beitrag als Fortsetzung ihrer Themenreihe „Gegen das Vergessen“ und sehen in der Erinnerung eine Mahnung für Gegenwart und Zukunft.
Gedenktag 27. Januar
von Rudolf Damm
Ihr alle, die ihr des Weges zieht,
schaut doch und seht,
ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz,
den man mir angetan …
Klagelieder des Jeremia, 1, 12
Am 27. Januar 1945 wurden die etwa 7.000 im Lager verbliebenen überlebenden Insassen des deutschen Konzentrationslagers Auschwitz in Polen von Soldaten der sowjetischen Roten Armee befreit. Etwa 56.000 Häftlinge waren im Januar noch von der SS vor der näherrückenden Front in Todesmärschen nach Westen getrieben und dann in offenen Güterwagen weiter in deutsche Konzentrationslager – Buchenwald, Mauthausen, Ravensbrück, Bergen-Belsen oder Mittelbau-Dora -transportiert worden.
Auschwitz liegt zwar auf dem Staatsgebiet Polens, war aber ein deutsches Arbeits- und Vernichtungslager, in dem mehr als eine Million jüdischer Menschen aus ganz Europa durch Arbeit vernichtet, oder in den Gaskammern mit dem in Deutschland hergestellten Ungeziefervernichtungsmittel „Cyklon B“ ermordet wurden. Auschwitz mit seinen Gaskammern und Krematorien steht als Synonym des fabrikmäßigen Massenmordes, der auch in anderen Lagern, wie z.B. in Treblinka und Sobibor, von Männern der SS-Totenkopfdivision und SS-Wärterinnen durchgeführt wurde.
Der 27. Januar ist seit 1996 auf Betreiben des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog in Deutschland und seit 2005 internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus geworden. Im jährlichen Wechsel wird an jeweils einer Hagener Schule an diesem Tag mit einer offiziellen Gedenkfeier der Opfer gedacht – in diesem Jahr wird sie wohl wegen der Corona-Beschränkungen ausfallen müssen.
Auf dem Territorium des Deutschen Reiches und dem der besetzten Gebiete Europas gab es etwa 1.000 Konzentrations- und Nebenlager, in denen Häftlinge vor ihrer „Vernichtung durch Arbeit“ als Sklavenarbeiter ausgebeutet wurden – in Hagens direkter Nachbarschaft in Dortmund, Schwerte und Witten-Annen; außerdem existierten sieben „Vernichtungslager“ – diese ausschließlich auf dem Territorium des von Deutschland besetzten Polens.
Historiker gehen davon aus, dass etwa zwei Drittel der geschätzt sechs Millionen ermordeter Juden, also vier Millionen Frauen, Männer und Kinder aller Altersgruppen, direkt nach ihrer Ankunft in den Vernichtungslagern ermordet wurden, bzw. durch systematische Unterernährung, Misshandlungen und unbehandelte Krankheiten starben. Das verbleibende Drittel – zwei Millionen Menschen – wurde in den Ghettos der polnischen Städte, bei Massenerschießungen durch die Einsatzgruppen der Polizei und durch die Todesmärsche bei der Evakuierung der Lager vor den näher rückenden alliierten Truppen ermordet.
Es gab im Nachkriegsdeutschland immer Unverbesserliche und Ewiggestrige die den Holocaust (Massenmord an den Juden) leugnen oder relativieren, aber heute sitzt im Bundestag eine gewählte Partei, die völkisches Denken als Lösung für Fragen nach der Zukunft verkauft und deren Politiker den Nationalsozialismus und seine Folgen als „Vogelschiss“ und das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin als „Mahnmal der Schande“ bezeichnen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte dazu in seiner Rede am 23. Januar 2020 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem:
„Ich wünschte sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn jüdische Kinder auf dem Schulhof bespuckt werden. Das kann ich nicht sagen, wenn unter dem Deckmantel angeblicher Kritik an israelischer Politik kruder Antisemitismus hervorbricht. Das kann ich nicht sagen, wenn nur eine schwere Holztür verhindert, dass ein Rechtsterrorist an Jom Kippur in einer Synagoge in Halle ein Blutbad anrichtet.“
Und der verstorbene Altbundespräsident Richard von Weizsäcker hat schon 1985 in seiner Rede zum Endes des 2. Weltkriegs gesagt: „Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen, das kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“